ÜBER UNS
Die Idee, einen Algorithmus zu entwickeln, der gefälschte Kunstwerke erkennt, kam Wolfgang Reuter im Herbst 2016 bei einem Gespräch mit Robert Ketterer, dem Besitzer des gleichnamigen Kunst-Versteigerungshauses in München. Der Auktionator berichtete Reuter, der damals stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Focus“ war, von der Vorgehensweise eines typischen Fälschers. „Der kommt ja nicht mit einem Bild an und sagt: ‚Ich habe hier einen Nolde, Pechstein oder sonst einen bekannten Künstler‘“, so Ketterer, „sondern er liefert ein Bild ein und sagt: ‚Das habe ich auf dem Speicher meiner verstorbenen Mutter gefunden. Ist das etwas wert?‘.“ Die allermeisten Fälschungen seien zudem keine Kopien tatsächlicher Originale, so der Auktionator weiter, sondern eigene, neue Werke, bei denen der Fälscher den Stil des betreffenden Künstlers teilweise sehr gut imitiert habe. Deshalb sei es mitunter sehr schwer, eine Fälschung nachzuweisen.
Wolfgang Reuter, Gründer und Geschäftsführer der Art Intelligence GmbH.
Spielerische Anwendung: Im Museum Buchheim ausgestelltes Computer-Terminal, mit denen Besucher gegen das KI-Modell antreten konnten.
Reuter, der damals bereits seit vier Jahren programmierte und verschiedene Apps – auch im Bereich der Bildverarbeitung – entwickelt hatte, fragte daraufhin: „Gibt es da noch nichts Digitales, was bei der Untersuchung von Gemälden hilft?“ Ketterer antwortete, dass ihm davon nichts bekannt sei – und Reuter beschloss, den Anwendungsfall einmal auszuprobieren.
Erste Versuche mit je 100 Bildern von vier Malern auf der Basis statistischer Methoden wie beispielsweise Bayesianischer Inferenz waren zwar vielversprechend, doch Reuter merkte schnell, dass mit Maschinellem Lernen vermutlich deutlich bessere Ergebnisse möglich wären. Der Journalist, der 2007 und 2008, während seiner Zeit beim „Spiegel“ nebenher bereits zwei Semester Physik studiert hatte, brachte sich die notwendigen Kenntnisse als Student an der Online Universität Coursera bei – insbesondere mit den Kursen und Spezialisierungen von Andrew Ng.
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Mithilfe sogenannter Konvolutionaler Neuronaler Netze erzielte Reuters Anwendung – mittlerweile mit 20 Malern – deutlich bessere Ergebnisse. Der Journalist stellte das Projekt daraufhin dem Leiter der Abteilung Kunstdelikte beim LKA Berlin, René Allonge, vor. Zwischen 2017 und 2020 unterstützte das LKA Reuter, insbesondere mit gesicherten Fälschungen, um die Algorithmen zu testen und weiter zu verbessern.
„Das Ganze hat mir so viel Spaß gemacht“, sagt Reuter, „dass ich mich 2017 entschloss, die Branche zu wechseln und mich hauptberuflich mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen." Im Frühjahr 2018 wechselte Reuter zunächst zur appliedAI Initiative von UnternehmerTUM, dem Start-up-Inkubator von Susanne Klatten. Nebenher arbeitete er freiberuflich als KI-Entwickler und entwickelte das Maler- und Fälschungserkennungsmodell weiter. Im Frühjahr und Sommer 2019 wurde das Projekt im Museum Buchheim („Museum der Phantasie“) in Bernried als spielerische Anwendung ausgestellt. Die Besucher konnten damals gegen den Algorithmus antreten. Beiden, also dem jeweiligen Spieler im Museum und dem KI-Modell, wurden zufällig ausgewählte Bilder aus dem Test-Set des Datensatzes zugespielt. Der Algorithmus schaffte dabei eine Erkennungsgenauigkeit von 93 Prozent (bei 20 Malern), die Besucher kamen im Schnitt auf 60 Prozent.
Im November 2019 wechselte Reuter als Leading Data Scientist zur Alexander Thamm GmbH. Den Algorithmus hat er auch in dieser Zeit weiterentwickelt – mit erstaunlichen Ergebnissen. Mittlerweile ordnet das Modell, trainiert mit 53 Künstlern, über 90 Prozent der Bilder dem richtigen Maler zu. Im Frühjahr 2020 gründete Reuter die Art Intelligence GmbH, die bislang mehrere Dutzend Analysen für Kunden vorgenommen hat.